11. Deutsch-Französische Kulturgespräche

Dienstag, 5. Juni 2018 | 

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Demokratie(n) in der Krise – Europas Zukunft neu denken

Titelblatt Kulturgespräche 2018

… unter diesem Titel fanden die 11. Deutsch-Französischen Kulturgespräche Freiburg vom 26.-28.04.2018 statt, welche dem Publikum in Form von Vorträgen, einer Lesung, sowie einer Filmreihe und Foto-Ausstellung, die Gelegenheit boten, sich auf verschiedene Weise dem Thema zu nähern. Ferner ergänzten – ganz gemäß dem Thema der Demokratie – partizipative Workshops und Diskussionen das drei-tägige Programm.

Zahlreiche Bürger*innen fanden am Donnerstagabend den Weg zur Eröffnungsveranstaltung in den Paulussaal, um dem Dialog zwischen dem Politologen und Demokratieforscher Wolfgang Merkel und Sébastien Maillard, Direktor des europäischen Thinktanks Notre Europe, beizuwohnen. Alle Redebeiträge wurden bei dieser Veranstaltung simultan gedolmetscht, so dass ein bilingualer Dialog ermöglicht wurde, dem sowohl die deutschen als auch die französischen Teilnehmer*innen folgen konnten.

Bereits in der Begrüßungsrede der Prorektorin der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wurde die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen für Europas Zukunft unterstrichen und die Frage nach der Verantwortung des europäischen Bundes für seine Länder und Regionen aufgeworfen.

Der anschließende Dialog, der von Kathrin Hondl moderiert wurde, stand ganz im Zeichen des Titels der Kulturgespräche und so wurden zunächst die Probleme und Herausforderungen diskutiert, welche sich den Demokratien in Europa heutzutage stellen. Wenngleich Herr Merkel zwar zentrale potenziell konfliktreiche Aspekte, wie die Zunahme der sozio-ökonomischen Ungleichheit, die Zunahme der ethnischen Heterogenität und des Rechtspopulismus nannte, so unterstrich er dennoch die Fortschritte demokratischer Gesellschaften im Vergleich zu beispielsweise den 50er- und 60-er Jahren und bevorzugte daher, von „Herausforderungen“ anstatt von einer Krise zu sprechen.

Sébastien Maillard ergänzte ferner die Problematiken der geringen Wahlbeteiligungen, sowie der demographischen Krise, die der demokratischen vorausginge und entwarf das Bild einer Demokratie der „Division 2“.

Im Anschluss an die Analyse der Situation der Demokratie(n) heute, versuchten die Gesprächsteilnehmer – angeregt durch Fragen aus dem Publikum – auf den Untertitel der Gespräche einzugehen, nämlich die Frage nach der Neugestaltung der Zukunft Europas. Hier wurden Fragen nach mehr Formen der Bürgerbeteiligung, internationalen Wahllisten und die Idee einer europäischen Republik aufgeworfen und diskutiert. Bei einem anschließenden Stehempfang bot sich den Gästen die Gelegenheit, diese Fragen weiter zu besprechen.

Die weiteren Tage der Kulturgespräche gestalteten sich abwechslungsreich und produktiv.

In der Zukunftswerkstatt der Katholischen Akademie Freiburg wurde darüber diskutiert, ob Europa eine Republik werden soll – Ausgangspunkt war das Buch Muss Europa eine Demokratie werden? von der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot, die diesen Workshop leitete. Expert*innen aus ganz Europa – unter anderem Mitglieder des Europa-Thinktanks Polis 180, Professoren der Universität Freiburg sowie der bekannte Schriftsteller Robert Menasse – und Studierende aus verschiedenen Fachrichtungen diskutieren über neue Entwürfe für Europa, sprachen über das „Demokratiedefizit“ der Europäischen Union und verbrachten so zwei arbeitsintensive Tage.

Auch der Ideenreichtum der Teilnehmer*innen, die am Samstagmittag im Rahmen eines interaktiven Workshops im Centre Culturel Français diskutierten, war beeindruckend.

Ebenso beeindruckend war das Rahmenprogramm rund um die Vorträge und Diskussionen: Im Centre Culturel Français konnte man der Vernissage zum Thema Mai 68 beiwohnen, außerdem gab es in Zusammenarbeit mit ARTE und dem Kommunalen Kino Freiburg jeden Abend eine zum Thema passende Filmvorführung.

Freitagnachmittag ging es weiter mit Podiumsdiskussionen: Im voll besetzten Literaturhaus wurde über die Auswirkungen des in Europa erstarkenden Populismus debattiert. Unter dem Titel „Wie verändert der Populismus unsere Demokratien?“ diskutierten nach einem kurzen Eröffnungsvortrag von Claus Leggewie – Autor des Buches Demokratien können sterben. Die Herausforderung von rechts – sechs deutsche und französische Wissenschaftler*innen über Ungleichheiten und Divergenzen in Europa, über den Front National und Ungarn und über Chancen bei der Wahl des europäischen Parlaments im nächsten Jahr.

Um die Abgeordneten des EU-Parlaments in Brüssel ging es auch am Freitagabend. Im sehr gut besuchten Paulussaal las Robert Menasse aus seinem mit dem deutschen Buchpreis ausgezeichnetem Buch Die Hauptstadt vor. Doch anstatt direkt mit der Lesung zu beginnen, macht Herr Menasse ein Foto – ein Foto vom Freiburger Publikum. Und dann? Dann geht es erst mal um ein Schwein. Ein Schwein, was durch die Straßen von Brüssel läuft und von dem keiner so richtig weiß, was es bei Regenwetter eigentlich in Brüssel zu suchen hat. Denn so fängt das Buch von Robert Menasse an – und es ist für Literaturkritiker Denis Scheck „eine grandiose … Liebeserklärung an Europa und gleichzeitig eine blendend recherchierte Innenansicht über die Arbeit der Europäischen Kommission“.
Während die Hauptfigur Fenia Xenopoulou sich Fragen zu ihrer nationalen Identität stellt und gleichzeitig ein großes Fest der EU-Kommission organisieren soll, ist Brüssel mit einer ganz anderen Frage beschäftigt: Es sucht einen Namen – für das Schwein, das immer noch durch die Straßen läuft.

Zum Abschluss der 11. Deutsch-Französischen Kulturgespräche gab es am Samstag nochmal eine Veranstaltung im Literaturhaus. Diesmal ging es um „Narrative und Entwürfe für ein demokratisches Europa“. Sebastian Körber, der stellvertretende Generalsekretär des Instituts für Auslandsbeziehungen, moderierte die Diskussion. Es ging vor allem um die Frage, was den populistischen Bewegungen entgegenstellt werden kann, die dabei sind, die europäische Idee von kultureller Vielfalt und solidarischer Einheit in ein Feindbild von nationaler und regionaler kultureller Identität zu stilisieren. Als Antwort einigte man sich unter anderem darauf: Wer von einer europäischen Idee redet, spricht immer noch nur von einer Idee. Europa sollte anfangen, die Idee als Wirklichkeit zu bezeichnen und diese auch umzusetzen.

Im Anschluss an diese Veranstaltung beendete Joseph Jurt – Gründungsmitglied des Frankreich-Zentrums und Mitinitiator der Deutsch-Französischen Kulturgespräche – die diesjährigen Deutsch-Französischen Kulturgespräche mit seiner persönlichen Schlussbetrachtung. Zufrieden über die Debatten, Dialoge und Denkanstöße bedankte er sich bei alle Mitwirkenden.

Auch das Frankreich-Zentrum empfand die 11. Deutsch-Französischen Kulturgespräche Demokratie(n) in der KriseEuropas Zukunft neu denken als eine sehr gelungene Veranstaltung und bedankt sich bei allen Mitwirkenden: Kooperationspartner*innen, Referent*innen und insbesondere bei allen, die zugehört und mitdiskutiert haben!

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