Quidditch in Freiburg: Es ist ihnen ernst

Dienstag, 15. Dezember 2015 | 

Die Black Forest Bowtruckles haben Quidditch in Freiburg als Sport etabliert. Wenn nächsten Sommer die erste Quidditch-Weltmeisterschaft in Frankfurt stattfindet, wird die deutsche Nationalmannschaft vom Freiburger Adrian Schleeh angeführt. Anlass genug für unsere Autoren, sich im Stile Harry Potters selbst auf den Besen zu schwingen.

Von Peter Eßer, Nina Gottloeber, Jakob Groth (Deutsch-Französische Journalistik 2015/16)

Ein kalter Sonntag im November, auf den Hängen des Schwarzwaldes liegt Schnee. Auch auf dem Bolzplatz am Dreisamufer in Littenweiler fallen am frühen Nachmittagdicke, wässrige Flocken. Eigentlich ein idealer Tag, um auf der Couch zu sitzen und heißen Kakao zu trinken. „Bestes Quidditch-Wetter“, holt uns Adrian Schleeh in die Realität zurück. Wir sind mit den Black Forest Bowtruckles zum Probetraining verabredet. In den Harry-Potter-Büchern sind Bowtruckles kleine, magische Kreaturen, die auf Bäumen unter anderem im Schwarzwald beheimatet sind. Adrian, Kapitän des Freiburger Quidditch-Teams, ähnelt mit seinen 1,96 Metern eher einem Baum als einem Baumbewohner.

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Nicht nur für Harry-Potter-Nerds

Zwei Mal pro Woche treffen sich die Bowtruckles zum Training. Heute sind wir zu acht. Adrian hat die Besen und das weitere Material dabei. Fast alle sind Studierende, die Mädels sind in der Überzahl. Quidditch wird grundsätzlich geschlechtergemischt gespielt. Das offizielle 190-seitige Regelwerk schreibt das sogar vor. Maximal vier Spieler eines Teams dürfen dasselbe Geschlecht haben. Mitmachen kann grundsätzlich jeder, man sollte nur nicht zimperlich sein, denn Quidditch ist ein intensiver Vollkontaktsport. Rennen, rempeln, werfen: „Im Prinzip eine Mischung aus Rugby, Völkerball und Handball“, erklärt Adrian. Er hat eine Thermoskanne mit Tee mitgebracht, an dem wir uns wärmen, quasi eine Vorstufe des Aufwärmprogramms. Später werden wir noch ins Schwitzen geraten.

PVC-Rohr statt Feuerblitz

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Ansprache beim Training der Black Forest Bowtruckles

Da die Besen in unserer Welt ohnehin nicht zum Fliegen verhelfen, wurde beim Quidditch weitestgehend auf sogenannte Sportbesen umgestellt: In der Regel PVC-Rohre. Schon zum Warmlaufen wird der Sportbesen zwischen die Beine geklemmt. Freihändig laufen, ohne den Besen zu verlieren, ist gar nicht so einfach. Zum Glück sind wir nicht die einzigen Neulinge. Der Besen ist integraler Bestandteil des Sportes: Jeder Spieler muss ihn während des Spiels stets zwischen den Beinen führen, ansonsten drohen Strafen. „Im Fußball wird der Ball mit dem Fuß geführt, im Basketball muss man prellen. Unser Handicap ist der Besen zwischen den Beinen“, erläutert Adrian.

Tackeln bis der Schlamm spritzt

Selbst wenn man mit dem Besen nicht fliegen kann, gehören Bruchlandungen beim Quidditch dazu. Damit niemand zu Schaden kommt, legt Adrian beim Tackle-Training besonderen Wert auf das richtige Abrollen. Er hat früher Kampfsport gemacht und ist sich daher sicher: „Vor allem, wenn Leute nicht fallen können, kommt es zu Kopf- und Nackenverletzungen.“ Also verhaken wir uns in einander und schieben uns gegenseitig über den Platz – im Fachjargon extreme hugging genannt. Dabei landet manch einer auf dem matschigen Rasen. Die Kampfsport-Strategie scheint jedoch zu funktionieren, denn ein gebrochener Finger war bisher die schlimmste Verletzung, die sich ein Bowtruckle zugezogen hat. Trotz Gerangel und Matschlandung tut sich auch heute niemand weh. Aber so langsam wird es anstrengend. Ein Vorgeschmack, auf das, was noch kommt.

Was braucht man zum Quidditchspielen?

Adrian lebt für den noch jungen Sport. „Ich bin ein großer Harry-Potter-Fan und hatte schon lange darüber nachgedacht, wie man Quidditch als realen Sport umsetzen könnte“, erklärt er. Mit dieser Idee stand er nicht alleine da: Heute gibt es ein Standardregelwerk, das von der International Quidditch Association herausgegeben wird. Von der Länge der Besen bis hin zur Spielweise – genau definierte Regeln machen Quidditch zu einem wettkampffähigen Sport. In den USA hat mittlerweile fast jede größere Universität eine Quidditch-Mannschaft. Der US-amerikanische Dachverband zählt 513 Teams. Auch in Kanada ist der Sport sehr beliebt. In 16 weiteren Ländern, darunter Deutschland, wurden in den letzten Jahren Quidditch-Verbände gegründet, um Teams aufzubauen, Meisterschaften auszurichten und Schiedsrichter auszubilden.

 

Hier trainieren die Bowtruckles:

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„Wollt ihr mitmachen?“

Am Sonntagnachmittag ist der Dreisamuferweg bei Spaziergängern beliebt. Während des Trainings bleiben immer wieder Leute stehen und schauen uns verdutzt zu. „Wollt ihr mitmachen?“, ruft Adrian – Reservebesen gibt es zur Genüge. An der Entwicklung von Quidditch als Sport in Deutschland ist der Teamchef der Bowtruckles maßgeblich beteiligt. Er ist außerdem Kapitän und Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft sowie Vizepräsident des Deutschen Quidditchbundes. Der Dachverband besteht seit Januar 2015 als eingetragener Verein und wird 2016 in Frankfurt die erste Quidditch-Weltmeisterschaft ausrichten. Ein großer deutscher Fernsehsender hat bereits wegen der Übertragungsrechte angefragt. „Gegen Kanada oder die USA rechne ich uns keine großen Chancen aus“, gesteht Adrian. Er nimmt aber an, dass der Sport in Deutschland in den nächsten Jahren zunehmend an Beliebtheit gewinnen wird. Die Heim-WM soll dazu beitragen. „Quidditch wird auch hier professionalisiert werden. Aber vermutlich nicht mehr zu meiner Zeit als aktiver Spieler“, glaubt der 24-Jährige. Der Sport fordere dem Körper zu viel ab.

 

„Brooms up“ ist das Startsignal

Besen hoch – das Spiel geht los. Mit den Sportbesen zwischen den Beinen hechten wir über das Feld, tackeln und passen, um den Spielball (Quaffel) am Hüter vorbei durch einen der drei gegnerischen Torringe zu werfen. Dabei jagen uns die Treiber ihre Klatscher (weiche Dodgebälle) um die Ohren und am liebsten ins Gesicht. Solche face beats klingen aber schmerzhafter, als sie sind und sorgen stets für einen Lacher. Wir als Neulinge sind dankbare Opfer, Profis beherrschen diverse Ausweichtechniken. Auch beim Tackeln zieht man als Anfänger den Kürzeren, gerade wenn es gegen 92 Kilo-Brocken wie Adrian geht. Wie bei Harry Potter ist das Spiel beendet, wenn der Schnatz gefangen wird. Anders als in den Büchern ist der Schnatz aber kein kleiner, goldener Ball mit Flügeln, sondern einer der Schiedsrichter. Nach 16 Minuten kommt er auf das Feld und darf sich mit fast allen Mitteln gegen die Sucher der beiden Teams verteidigen. Dieser Teil bleibt uns heute erspart, das Trainingsspiel ist so schon äußerst intensiv.

 

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Ein Schiedsrichter im gelben Trikot verkörpert den Schnatz

Langsam wird es dunkel, auf dem Bolzplatz in Littenweiler gibt es keine Beleuchtung. Die Beine wollen aber ohnehin nicht mehr. Zum Abschluss gibt es noch ein Lob und eine herzliche Umarmung vom Teamchef, wir sollen gerne wiederkommen. Die WM nächsten Sommer kommt für uns vermutlich noch zu früh. Sowieso gehen die Besen erst einmal zurück in den Schrank und wir nach Hause. Auf die Couch. Kakao trinken. Vielleicht eine Harry-Potter-DVD anschauen.

 

Der Quidditch-Selbstversuch im Video:

Text, Fotos und Videos: © Peter Eßer, Nina Gottloeber, Jakob Groth

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