Ein Europa der Regionen – leere Sprachhülse oder eine Wunschvorstellung politischer Eliten?

Dienstag, 9. November 2021 | 

Schlagwörter »  |  Thema: Allgemein, Förderverein

Spannende Einblicke und Gedankenimpulse zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erhielt das Publikum am 04.11.2021 während einer Podiumsdiskussion zum Thema „Auf dem Weg zum Europa der Regionen: Politische Kooperation zwischen dem Elsass und Südbaden“, die im Rahmen der Jahresmitgliederversammlung des Fördervereins stattfand.

Es diskutierten Rémi Bertrand, der ehemalige Präsident des Eurodistrikts und Vizepräsident des Conseil Départemental du Bas-Rhin, und Klaus Schüle, der Regierungsdirektor von Freiburg, der die „Stabstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit und europäische Angelegenheiten“ leitet. Die Moderation übernahm Christoph Ebner, der Leiter des SWR-Studios Freiburg, wo die trinationale Kooperation für die Nachrichtenaufbereitung des Dreiländerecks eine wichtige Rolle spielt.

Wie wichtig die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Oberrheinregion besonders im aktuellen Kontext ist, wurde schnell deutlich. Dieter Salomon (Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein und ehem. Oberbürgermeister von Freiburg) sprach sich in seiner Begrüßungsrede als neu gewählter Vorstandsvorsitzender des Fördervereins des Frankreich-Zentrums für eine aktive Förderung des gemeinschaftlichen Europagedankens aus, der in Zeiten von wachsendem Rechtsnationalismus und politischer Extremisierung zunehmend gefährdet wird.

Gespannt folgte die Zuschauerschaft den Diskussionen auf dem Podium der Aula im Universitätsgebäude. Rémi Bertrand schilderte, wie er die tragische Grenzschließung im Zuge der Coronapandemie im Frühjahr 2020 aus seiner französischen Perspektive erlebt hatte und löste damit Gänsehaut bei den Zuschauern aus. „Die Grenze schloss von einer Stunde auf die andere, niemand hatte damit in diesem Moment gerechnet. Viele unserer Arbeitskräfte wussten nicht mehr, wie sie abends nach Hause kommen sollten“. Damit sich solche Szenarien nicht mehr wiederholten, sei eine regionale Grenzpolitik wichtiger denn je. Individualisierte, situationsangepasste Lösungen seien nötig, um sich von allgemeinen Beschlüssen abzuheben, die in den Hauptstädten fallen. Klaus Schüle brachte weitere Themen der grenzüberschreitenden Arbeitswelt zur Sprache, wie beispielsweise die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen und eine Neuorganisation der Steuerzahlungen und der Altersvorsorge in einer sich wandelnden Berufswelt, die zunehmend von ortsunabhängigem Homeoffice geprägt ist.

Dem Publikum wurde die komplexe Gremienarbeit näher gebracht, die aufgrund bürokratischer Hürden oftmals eine Herausforderung für die Politik darstellt und teilweise auf Unverständnis in der Bevölkerung trifft. Die beiden Diskussionspartner räumten diese Vorurteile jedoch gekonnt aus dem Weg und wiesen auf zahlreiche erfolgreich realisierte Projekte der „Trinationalen Metropolregion Oberrhein“ hin, darunter die Tram nach Strasbourg und die Sanierung der Rheinbrücke Neuenburg-Chalampé.

Die aufschlussreiche Podiumsdiskussion machte schließlich deutlich, dass noch lange nicht der Idealzustand einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Europa erreicht ist. Besonders in einer sich wandelnden Welt sind neue Denkansätze in der deutsch-französischen Regionalpolitik gefragt, die den Lebensraum Oberrhein in Zukunft noch attraktiver machen und den Bürger:innen neue Perspektiven schenken.

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