Lesung von Sarah Kaminsky (Paris): „Adolfo Kaminsky: Une vie de faussaire / Ein Fälscherleben“

Dienstag, 29. November 2016 | 

Schlagwörter »  |  Thema: Allgemein, Veranstaltungen

In Kooperation mit dem Centre Culturel Français Freiburg, der Volkshochschule Freiburg und der Landeszentrale für politische Bildung sowie der Aktionsgruppe Passausstellung veranstaltete das Frankreich-Zentrum am 28. November 2016 eine Lesung mit der jungen Drehbuchautorin, Schauspielerin und Schriftstellerin Sarah Kaminsky, die über das Leben ihres Vaters als Passfälscher ein Buch veröffentlicht hat. Neben den Textauszügen in deutscher und französischer Sprache wurden unter Moderation von Dr. Guillaume Plas auch aktuelle Fragen über Grenzen und Identität diskutiert. Mehr als zwei Stunden lauschte ein gefüllter Saal wie gebannt der Geschichte eines Vaters, dessen Taten vermutlich mehr als 14 000 Menschen das Leben retteten.

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„Tout est vrai“, beteuert Sarah Kaminsky, als die Sprache auf die Form ihres 2009 veröffentlichten Buches kommt: ein Roman, aber dann auch wieder nicht. Vielmehr handelt es sich um ein Gespräch zwischen Vater und Tochter, in dem die Tochter, Sarah Kaminsky, völlig in den Hintergrund tritt. Und das Format hat Erfolg. Das Buch wurde unter anderem ins Deutsche, Englische, Italienische und Hebräische übersetzt, eine türkische und chinesische Fassung sind in Arbeit. Doch nicht nur die gewählte Romanform überzeugt. Dieses zwar fiktionalisierte aber dennoch historische Dokument fesselt den Leser wie ein Krimi. Während der vier Textpassagen gelingt es Sarah Kaminsky, ihr Publikum zunächst in das besetzte Paris 1944, dann in die Zeit der jüdischen Flüchtlinge nach Palästina nach 1945 und schließlich in den Algerienkrieg zu versetzen. Fast szenisch trägt die junge Autorin die Textpassagen vor, liest rhythmisch und bewegt, als stecke sie in der Haut ihres Vaters, der unter Lebensgefahr Pässe fälschte, nie Geld für seine Arbeit annahm und sein Privatleben bis 1971 dafür aufgab, anderen Menschen zu helfen. Doch das Bild, das Sarah Kaminsky von Ihrem Vater zeichnet, ist weder ein Verbittertes noch ein Einsames. Vielmehr gelingt es ihr, für den Leser einen jungen Mann lebendig werden zu lassen, der zwar viele Opfer brachte, aber stets Leichtigkeit, ja sogar Witz bewahrte.

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Die Fragen von Dr. Guillaume Plas, übersetzt von Dr. des. Melanie Fröhlich, die auch die deutschen Textpassagen las, trugen das Publikum durch die Lesung und eröffneten tiefer- bzw. weitergehende  Analysen, wie beispielsweise die des Titels und der Entstehung des Romans. Das größte Anliegen bei dem Verfassen ihres Romans schien Sarah Kaminsky stets das der „Lesbarkeit“: „Je voulais écrire quelque chose d’historique, mais rien de lourd.“  Nur das Argument, seine Geschichte auch für Jugendliche zugänglich zu machen, konnte ihren Vater überzeugen, sein „erstes Leben“, das er 1971 wegen zu hoher Gefahren gänzlich aufgab, offenzulegen. Ein großer Schritt für einen Mann, der mehr als drei Jahrzehnte ein „homme de l’ombre“ war und nur wenig sprach, um nicht Gefahr zu laufen, sich zu verraten.

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Dank der Übersetzung der gesamten Diskussion von Dr. des. Melanie Fröhlich konnte auch nach der Lesung noch eine rege Diskussion mit den Zuhörern aufgenommen werden, die auch zahlreiche Bücher kauften und signieren ließen. In wenigen Tagen fliegt Sarah Kaminsky nach Amerika, wo der Roman vor kurzem erschien, um dort ihre Lesung fortzuführen. Die Amerikaner scheinen begeistert und wollen das Buch auch medial vermarkten. Eine Dokumentation der New York Times wurde bereits gedreht. Auf die Frage, ob ein Film geplant ist, entgegnet Sarah Kaminsky: „Ja, aber das wird dauern“: Ästhetik und Stil des Romans sowie der Charakter ihres Vaters sollen gewahrt bleiben. Ein sehr wünschenswertes Anliegen, denn dieses Schicksal verdient es, gewürdigt zu werden.

Hier können Sie ein Interview mit Sarah Kaminsky anhören, das im Anschluss von Radio Dreyeckland durchgeführt wurde:
https://rdl.de/beitrag/adolfo-kaminsky-ein-f-lscherleben-f-r-den-humanismus

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Ein Kommentar

  1. 1
    Fiedler Johannes 

    Ein sprachlich und inhaltlich sehr ansprechender Beitrag, nach dessen Lektüre man bedauert, na dieser Lesung nicht teilgenommen zu haben